Midlifecrisis bei Frauen

Die Midlife Crisis bei Frauen – als ich mir plötzlich ein Cabrio kaufen wollte

WhatsApp

Vielleicht hast du dich in letzter Zeit öfter gefragt, ob das wirklich alles gewesen sein soll. Deine Kinder werden langsam erwachsen, die Karriere stagniert und im Spiegel siehst du die ersten grauen Haare. Blöde Frauenmagazine schreiben dir vor, welche Dinge du mit 40 nicht mehr machen solltest, (Dreirad fahren?, wie ich auf dem Header-Bild zum Beispiel). Und irgendwie hast du das Gefühl, für die Gesellschaft immer unsichtbarer zu werden?

Dann geht’s dir so wie mir 2019, als ich 40 wurde, und plötzlich Bock auf ein Cabrio hatte. Willkommen in der Midlife Crisis! Diese Phase trifft Frauen mindestens genauso häufig wie Männer, wird aber oft nicht als solche erkannt oder ernst genommen. So ging’s mir jedenfalls oft, wenn ich mit irgendwem darüber reden wollte: Ich wurde dafür belächelt. Aber genauso oft hörte ich: Mir geht’s genauso. Vielleicht hörte ich das sogar öfter.

Was ist eine Midlife Crisis?

Eine Midlife Crisis ist eine Zeit der Neuorientierung und Sinnsuche, die – auch bei Frauen – typischerweise zwischen 40 und 50 Jahren auftritt. Sie ist gekennzeichnet durch ein Gefühl der Unzufriedenheit mit dem bisherigen Leben und dem Wunsch nach Veränderung. Bei Frauen fällt sie oft mit dem – Achtung, böser Begriff – Beginn der Wechseljahre zusammen, was die Situation auch nicht gerade leichter macht.

Die Anzeichen: Wie äußert sich eine Midlife Crisis bei Frauen?

Ach, da gibt es so einige, typische Merkmale. Ich zähle mal auf, was mir so begegnet ist und wovon Freundinnen mir erzählt haben:

Unzufriedenheit mit dem Status quo: Du hinterfragst deine Lebensentscheidungen und fühlst dich in deinen Rollen als Partnerin, Mutter oder Berufstätige nicht so richtig zufrieden.

Verändertes Körpergefühl: Die ersten Anzeichen des Alterns wie Falten oder graue Haare verunsichern dich.

Wunsch nach Neuerfindung: Du träumst davon, alles hinzuschmeißen und neu anzufangen. Manche Frauen trennen sich in dieser Phase von ihrem langjährigen Partner oder wechseln den Job, oder sogar den Beruf.

Stimmungsschwankungen: Gefühle von Angst, Verzweiflung und Hilflosigkeit wechseln sich ab.

Eine Studie einer Wiener Gesundheitsorganisation ergab, dass zwei Drittel aller Frauen in den Wechseljahren unter leichten bis schweren psychischen und physischen Beschwerden leiden.

Das zeigt, wie weit verbreitet diese Erfahrungen sind.

Ursachen der weiblichen Midlife Crisis

Die Gründe für eine Midlife Crisis bei Frauen sind vielfältig:

Hormonelle Veränderungen: Die Wechseljahre bringen einen massiven hormonellen Umbruch mit sich, der sich auf Körper und Psyche auswirkt. Ich hatte plötzlich Haarausfall, Schlafprobleme (nie gekannt vorher!), Verdauungsstörungen, mein Zyklus veränderte sich, und ach ja – zwei eingefrorene Schultern („Frozen Shoulder“) und so weiter und so fort.

Veränderte Lebensumstände: Kinder ziehen aus, die Eltern werden pflegebedürftig, die Karriere stagniert. Kenne ich alles nur zu gut.

Verlust von Rollen: Wenn die Kinder selbstständig werden, fällt für viele Frauen eine wichtige Lebensaufgabe weg. Sie müssen sich neu definieren. Als mir klar wurde, dass L (15) demnächst auszieht und ernst macht mit diesem Erwachsenwerden, habe ich mir einen Hund angeschafft.

Konfrontation mit dem Alter: Die sichtbaren Zeichen des Alterns zwingen dich, dich mit deiner Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. So, nun ist es aber gut mit der Schwarzmalerei. Kommen wir doch mal lieber zu den…

Chancen der Midlife Crisis

So herausfordernd diese Phase auch sein mag, sie biete auch große Chancen für persönliches Wachstum und Neuorientierung, lese ich zu dem Thema immer wieder. Jaja, das muss man sich nur immer wieder sagen! Und nur keinen Druck! Ich versuche jedenfalls, mir die positiven Seiten der Midlife Crisis regelmäßig in Erinnerung zu rufen, wenn mir mal wieder nach der Anschaffung eines Cabrios oder eines Hundes zumute ist. Schauen wir mal auf die Punkte…

Selbstfindung: Du hast jetzt die Möglichkeit, dich auf dich selbst zu besinnen und herauszufinden, wer du wirklich bist und was du vom Leben willst. Ich denke seit Anfang 40 ständig darüber nach, aber dann kommen mir mein Alltag als Mutter oder Pflegende Angehörige dazwischen.

Neue Prioritäten: Viele Frauen entdecken in dieser Phase neue Interessen oder beleben alte Leidenschaften wieder. Ich habe mit Linedance angefangen – wollte ich schon ewig ausprobieren, und siehe da, ich liebe es.

Beziehungen neu gestalten: Du kannst deine Partnerschaften und Freundschaften auf eine neue, reifere Ebene heben. Das hab ich jedenfalls irgendwo gelesen. Halte ich für ein Gerücht, dass das so einfach geht.

Berufliche Neuorientierung: Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um deine Karriere in eine neue Richtung zu lenken oder dich selbstständig zu machen. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht möchte ich mir auch einfach nur die Decke über den Kopf ziehen und gründe die Kopf-in-den-Sand GmbH.

Tipps für den Umgang mit der Midlife Crisis

Ich hab mal die gängigen Tipps zum Umgang mit der weiblichen Midlife Crisis gecheckt, die so im Umlauf sind – und möchte das Ergebnis an dieser Stelle, wenn auch nicht unkommentiert, präsentieren.

  1. Akzeptiere deine Gefühle: Es ist normal, in dieser Lebensphase Unsicherheit und Zweifel zu empfinden. Lass diese Gefühle zu – und lass sie wieder gehen. – Tatsächlich habe ich mir bei meiner morgendlichen Gassirunde mit dem Kindersatz-Hund angewöhnt, immer kurz innezuhalten und die negativen Gefühle, die mich an diesem Morgen begleiten, loszulassen. Stattdessen nehme ich positive Dinge, die mich an diesem Tag erwarten, entgegen. Ich kann ganz gut akzeptieren, dass diese negativen Emotionen da sind. Womit ich nicht leben kann, ist, wenn sie zu lange verweilen. Dieses Ritual hilft mir wirklich, sie gehen zu lassen.
  2. Reflektiere dein Leben: Nimm dir Zeit, um über deine Wünsche und Ziele nachzudenken. Was möchtest du in der zweiten Lebenshälfte noch erreichen? – Das halte ich auch für einen guten Rat. Seit ich 40 geworden bin, führe ich eine Art Wochenbuch – und das habe ich tatsächlich bis heute durchgezogen. Ich habe vorne Jahresziele stehen und setze mir immer einzelne Wochenziele. Letztere reiße ich natürlich auch gern mit dem Allerwertesten ein – aber die Jahresziele habe ich bisher kaum aus den Augen verloren und viel davon geschafft.
  3. Bleib aktiv: Sport und Bewegung können dein körperliches und seelisches Wohlbefinden erheblich verbessern – jajaja. Das wissen wir natürlich alle. Ich bin momentan noch in der Phase, in der selbst die einfachsten Yogaübungen höllisch weh tun (überall!) und ich mir immer wieder sagen muss – das wird besser, Ilona, gib nicht auf. Ich fühle mich wie ein eingerostetes, quietschendes Skelett. Aber ja, Sport ist wichtig. Osteoporose und so. Ich weiß! So ein Sch…
  4. Pflege soziale Kontakte: Tausche dich mit Freundinnen aus, die ähnliche Erfahrungen machen. Das kann sehr entlastend sein. – Oh ja. Hier ein dickes JA! Geteiltes Leid ist halbes Leid – diesen Rat unterstütze ich mit vollem Herzen.
  5. Sei offen für Neues: Probiere neue Hobbys aus, lerne eine Sprache oder reise an Orte, die du schon immer sehen wolltest. – Wie gesagt, Linedance. Das muss man sich aber auch alles erstmal leisten können, die tollen, neuen Hobbys und die Reisen. Sprachen habe ich genug gelernt, finde ich.
  6. Suche professionelle Hilfe: Wenn du das Gefühl hast, die Situation überfordert dich, zögere nicht, dir Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten zu holen – super wichtig! Nach dem harten Schicksalsschlag und all den Jahren voller Entbehrung habe ich mir einen Therapeuten gesucht, der sich den ganzen Salmon von mir anhört. Und ich rede offen mit allen darüber, die es nicht hören wollen – damit Seelentherapie irgendwann, eines schönen Tages, genauso selbstverständlich wird wie jeder andere Arztbesuch.

Die Sache mit den blöden Hormonen

Die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren spielen eine zentrale Rolle in der Midlife Crisis vieler Frauen. Wie ich leider am eigenen Leib erfahren musste, kann der Rückgang von Östrogen und Progesteron zu wahrlich miesen, körperlichen Beschwerden wie Hitzewallungen und Schlafstörungen führen, aber auch die Stimmung und das psychische Wohlbefinden beeinflussen.

Es ist wichtig, diese hormonellen Aspekte ernst zu nehmen, ohne sie als alleinige Ursache für deine Gefühle abzutun. Und sich nicht von seinen Frauenärztinnen abwimmeln zu lassen, die mir erzählen wollten, ich sei mit Anfang 40 noch viel zu jung für die Vorstufe der Wechseljahre, die Prämenopause. Heute weiß ich: Auch dagegen kann man was unternehmen, man muss diese Beschwerden nicht einfach so hinnehmen. Das war eins meiner wichtigsten Gesundheits-Learnings in dieser Zeit.

Fazit: Alle sagen, ich soll die Midlife Crisis als Phase des Wachstums begreifen – aber ich bin einfach nur froh, zu überleben

Die Midlife Crisis bei Frauen ist eine komplexe und oft herausfordernde Lebensphase. Sie konfrontiert dich mit Veränderungen auf körperlicher, emotionaler und sozialer Ebene. Doch sie bietet auch die Chance, dein Leben neu auszurichten und persönlich zu wachsen, schreiben viele Medien zu dem Thema. Ich sage: Das stimmt schon.

Aber wisst ihr, was mich an diesen wunderbaren Ratschlägen wirklich stört?

Dass das auch noch von mir erwartet wird! Du befindest dich in einer Krise? Dann wachse daran! Bla. Bla. Bla.

Ganz ehrlich: Ich hatte weißgott genug Krisen und ja, irgendwie bin ich an allen im Endeffekt auch gewachsen. Aber kann es nicht auch einfach mal krisenfrei zugehen? Und darf ich eine Krise auch überstehen, ohne danach „zu leuchten“ oder „zu wachsen“? Darf ich auch einfach nur feiern, dass ich überlebt habe?

Seitdem der Vater meiner Tochter verstorben ist, als sie 12 war, sage ich zu all solchen „Wachse!!“- Ratschlägen: Einen Sch… muss ich. Nur überleben sollte ich nach Möglichkeit. Für mich und für sie. An all dem auch noch zu wachsen, ist auch so ein Luxus, den ich nervlich vielleicht gar nicht aushalte. Schön, wenn es eintrifft, dieses Wachstum. Aber fantastisch, wenn man einfach nur das Minimalziel (mit dem Titel: Ich bin noch hier!) erreicht hat.

Wenn es dir genauso geht, liebe Leserin, dann sage ich dir: Du bist nicht allein mit deinen Gefühlen. Mir geht’s genauso, und wir schaffen das. Wir haben schon ganz andere Dinge geschafft.

Author

In der Rush Hour des Lebens auf dem Standstreifen mit Warnblinker unterwegs: #carearbeit zwischen fast erwachsener Tochter (15) und pflegebedürftiger Mama (86) - mit Partner of Crime T und #happythehavi 🐶. Job: Redakteurin@echtemamas

Write A Comment